«Die Politik scheint jeglichen Respekt vor dem Rechtsstaat zu verlieren»: So reagiert Einsprecher Sebastian Koller auf die Kathi-Motion im Kantonsrat

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Tagblatt, Alain Rutishauser

Diesen Montag reichten die Mitte- und SVP-Fraktionen eine Motion im Kantonsrat ein, um gegen den Entscheid des Bundesgerichts zur Mädchensek St.Katharina vorzugehen. Einsprecher Sebastian Koller und die Wiler Politik reagieren sehr unterschiedlich auf die Motion.

In der Causa Kathi Wil wurde kürzlich das nächste emotionale Kapitel geschrieben. So hielten Ständerätin Esther Friedli (SVP), Ständerat Benedikt Würth (Mitte) sowie die beiden Kantonsräte Sascha Schmid (SVP) und Boris Tschirky (Mitte) vergangenen Freitag eine Medienkonferenz ab. Mit einer Motion im St.Galler Kantonsrat wollen die SVP- und Mitte-Fraktionen gegen den Entscheid des Bundesgerichts vom 17. Januar 2025vorgehen. Konkret will die Motion eine kantonale Verfassungsänderung anstossen und damit den Bundesgerichtsentscheid aushebeln.

Das Bundesgericht hatte entschieden, dass die reine Mädchensekundarschule St.Katharina in Wil verfassungswidrig ist. Die Schule verstosse gegen das Diskriminierungsverbot und die Glaubensfreiheit. Das Urteil des Bundesgerichts wurde erst mündlich verkündet. Eine schriftliche Begründung steht bisher noch aus.

«Donald Trump lässt grüssen»

Die Meinungen zur Kathi-Motion im Kantonsrat gehen erwartungsgemäss diametral auseinander. Grünen-Stadtparlamentarier Sebastian Koller, der mit seiner Bundesgerichtsbeschwerde die Sache überhaupt ins Rollen brachte, bezeichnet die Motion als offenen Versuch, die Gewaltenteilung auszuhebeln. Koller doppelt sogleich nach: «Die verantwortlichen Akteure planen hier einen Anschlag auf die bundesstaatliche Verfassungsordnung.»

Die Bestrebungen der beiden Kantonsräte Tschirky und Schmid seien historisch beispiellos. Die Unterzeichner würden die Kompetenz des Bundesgerichts infrage stellen, als oberste Instanz über die Auslegung der Bundesverfassung zu entscheiden. Eine politische Reaktion auf ein Gerichtsurteil zu lancieren, bevor überhaupt eine schriftliche Begründung vorliegt, ist für Sebastian Koller «hochgradig unseriös und respektlos gegenüber der Justiz». Er sagt: «Die Politik scheint jeglichen Respekt vor dem Rechtsstaat zu verlieren. Donald Trump lässt grüssen.»

Koller beantwortet denn auch die Frage, ob er nochmals genau gleich handeln würden mit einem bestimmten «Ja». In den letzten 30 Jahren seien sämtliche Versuche, die Wiler Oberstufenorganisation auf politischem Weg zu reformieren, gescheitert. Koller sagt: «Ich bin mir sicher: Ohne dieses Urteil hätte das politische Hin und Her noch weitere Jahrzehnte angedauert.»

Kathi-Stiftung ist erfreut über politische Rückendeckung

Froh um die Unterstützung aus der Politik ist hingegen der Kathi-Stiftungsrat. Deren Präsident Armin Eugster sagt: «Die Stiftung ist erfreut, dass sich kantonale und nationale Politikerinnen und Politiker dieser Thematik annehmen und unsere Anliegen unterstützen.»

Auch wenn Eugster gegenüber dieser Zeitung sagte, dass die Stiftung die schriftliche Begründung des Bundesgerichts abwarte, bis über das weitere Vorgehen entschieden werde, findet er den Zeitpunkt der Motion nicht zu früh. Die schriftliche Begründung werde nichts am Urteil des Bundesgerichts ändern. «Daher ist auch ein Zuwarten seitens der Politik aus unserer Sicht nicht zwingend», sagt Eugster.

Auch die Wiler Mitte-Präsidentin Eliane Keller-Hollenstein stärkt ihrem Parteikollegen Tschirky den Rücken. «Wir befürworten das Vorgehen der Kantonsräte. Es ist wichtig, dass sofort gehandelt und versucht wird, dem Bundesgerichtsentscheid entgegenzuwirken.» Die Einschränkungen, die das Bundesgericht entschieden hat, seien ein Eingriff in das kantonale Volksschulwesen.

Keller-Hollenstein, die vor vier Jahrzehnten selbst das Kathi besucht hat, fügt an: «Die Fraktion ist sich einstimmig einig, dass das Kathi weiterbestehen soll. Die Schule soll sich aber auch Real-Schülerinnen und Buben öffnen.» Nun sei es essenziell, dass weitere Gespräche und Verhandlungen mit dem Kathi-Vorstand geführt werden, um die bestmögliche Lösung zu finden.

Anderer Meinung ist SP-Co-Präsidentin Ronja Stahl. Sie bezeichnet das Vorgehen der beiden Kantonsräte als Unding. «Es untergräbt jegliches demokratische und rechtsstaatliche Verständnis», fügt sie an. Die Begründung, dass die Bildung in der Hoheit der Kantone liege, sei hinfällig, da es sich hierbei um einen Entscheid handle, der die Gleichstellung und Religionsfreiheit betrifft.

Das Vorpreschen sei für den politischen Prozess wenig hilfreich und diene aus Sicht von Ronja Stahl lediglich der Stimmungsmache. «Es wäre definitiv sinnvoller gewesen, das schriftliche Urteil abzuwarten.» Auch Stahl besuchte die Mädchensek und habe dort «eine schöne Zeit» verbracht. Sie fügt an: «Trotzdem widersprechen religiöse, geschlechtergetrennte Privatschulen meiner politischen Grundhaltung und passen nicht zu einem säkularen Staat.»

«Politische Blockade, die endlich aufgelöst werden muss»

Der Wiler SVP-Präsident Andreas Hüssy begrüsst die Motion. Der Entscheid betreffe das aktuelle Kathi, das nur Mädchen zugänglich ist – schon lange davor habe sich das Kathi aber bereit erklärt, auch Knaben und Real-Klassen zu unterrichten. Hüssy sagt: «Die Gegner und Befürworter des Kathi im Wiler Stadtparlament sind in etwa gleich stark. Dies hat zu einer politischen Blockade geführt, die endlich aufgelöst werden muss.»

Hüssy findet, das Kathi solle als zeitgemässe Schule mit Mädchen- und Knabenklassen auf Real- und Sekundarstufe weiterbestehen. «Den Entscheid darüber sollten wir aber nicht einem Gericht oder der Politik überlassen», fügt er an. «Vielmehr sollten wir einen Weg finden, damit die Wiler Stimmbürgerinnen und Stimmbürger diesen Entscheid treffen können.»

Präsident SVP Stadt Wil Stadtparlamentarier Mitglied Werkskommission
Andreas

Andreas Hüssy