«Das ist wie ein Lottogewinn»: Stadtpräsident warnt, dass das Wiler Millionenplus eine einmalige Sache sei

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Michael Nittnaus, Tagblatt

Die Erfolgsrechnung 2023 der Stadt Wil verzeichnet dank deutlich höherer Steuereinnahmen einen Gewinn von 2,7 Millionen Franken. Budgetiert war ein Verlust von 5,6 Millionen. Für die Befürworter einer Steuerfusssenkung ist dies eine Steilvorlage.

Die Wiler SVP, FDP, der Gewerbe- und der Hauseigentümerverein reiben sich die Hände: Die Jahresrechnung 2023, welche Stadtpräsident Hans Mäder (Mitte) am Montagmittag präsentierte, schneidet deutlich besser ab als budgetiert. Die Differenz beträgt 8,3 Millionen Franken. So wird aus einem Defizit von 5,6 Millionen Franken ein Gewinn für die Äbtestadt von 2,7 Millionen. Das spielt dem Ja-Komitee der Abstimmung vom 14. April über eine Steuerfusssenkung von 118 auf 115 Prozent in die Karten. Andreas Hüssy, Präsident der SVP Stadt Wil, sagt auf Anfrage: «Das ist natürlich eine Steilvorlage für uns.»

Dabei gab sich Hans Mäder an der Pressekonferenz im Rathaus sichtlich Mühe, das gute Ergebnis zumindest ein Stück weit zu relativieren. «Natürlich ist es ein sehr erfreuliches Resultat, doch die Differenz zum Budget ist zu guten Teilen mit einem massiven Ausreisser erklärbar, der sich nicht wiederholen wird», so Mäder.

Ein Einzelfall brachte 3,9 Millionen Franken ein

Bei den Steuererträgen der natürlichen Personen habe ein Einzelfall mehrere Millionen Franken mehr in die Stadtkasse gespült, der nicht vorauszusehen war. «Das ist wie ein Lottogewinn, auch wenn es keiner war», sagte Mäder geheimnisvoll. In den schriftlichen Unterlagen zur Rechnung 2023 steht, dass 3,9 Millionen Franken höhere Nachzahlungen als budgetiert angefallen waren. Diese erklären sich mit hohen Dividenden, die ein einzelner Wiler oder eine Wilerin versteuert hat. Details wurden freilich nicht offengelegt.

Dieser Einzelfall begründet aber «nur» zwei Drittel der Verbesserung gegenüber dem Budget bei den Steuereinnahmen natürlicher Personen: Mit 77,6 Millionen Franken fielen die Einkommens- und Vermögenssteuererträge um 5,7 Millionen besser aus als budgetiert und um 6,7 Millionen besser als im Vorjahr. Hinzu kommen noch drei Millionen Franken an Quellensteuern.

Auch die Steuern juristischer Personen nahmen zu, von 11,6 auf 14,5 Millionen Franken. Dies sei teils auf Einmalerträge zurückzuführen. Mäder sagte aber auch: «Die wirtschaftliche Entwicklung läuft gut.» Im selben Atemzug verweist er darauf, dass bereits einige Unternehmen Kurzarbeit angemeldet hätten und die Lage – auch mit Blick auf die andauernden Kriege – angespannt sei.

TBW bilden Reserven wegen des Gasausstiegs

Alles in allem übersteigt der Fiskalertrag Wils mit 105,8 Millionen Franken erstmals die 100-Millionen-Grenze. Die Steuerkraft pro Einwohner erhöht sich von 2900 auf 3200 Franken. Abseits der Steuererträge halten sich positive wie negative Abweichungen in der Jahresrechnung die Waage. So seien unter anderem höhere Bundesbeiträge im Asylbereich geflossen.

Höher als budgetiert fielen 2023 dafür die Ausgaben für die Pflegefinanzierung, die Kinder- und Jugendheime sowie die Kindertagesstätten aus. Weil die Technischen Betriebe Wil (TBW) den Ertragsüberschuss aus der Gas- und Wärmeversorgung von 1,9 Millionen Franken wegen des vom Stadtparlament beschlossenen Gasausstiegs für betriebsnotwendige Reserven verwenden, fielen die TBW-Abgaben an die Stadt 1,5 Millionen Franken tiefer als budgetiert aus.

Sie belaufen sich aber immer noch auf 6,8 Millionen Franken. Die TBW werden ihrem Ruf als Goldesel der Stadt also weiter gerecht. Der zuständige Stadtrat Andreas Breitenmoser (Mitte) sprach bei der zeitgleichen Präsentation der TBW-Jahresrechnung von einem sehr erfreulichen Ergebnis. Vor Abgaben und Reservebildung beträgt es 8,7 Millionen Franken und liegt damit leicht über Budget.

Warnung vor einer steigenden Verschuldung

Was Hans Mäder betonte: «Dieses gute Jahresergebnis 2023 ist für die Steuerfussdiskussion 2024 nicht relevant.» Entscheidend seien die anstehenden Investitionen und da sehe die Zukunft «sehr unsicher» aus. Für die kommenden Jahre rechnet Wil jeweils mit 20 bis 30 Millionen Franken Investitionen. Schon die 19 Millionen Franken, die 2023 investiert wurden, führten wegen des aktuellen Selbstfinanzierungsgrads von 80 Prozent dazu, dass die Nettoschulden der Stadt steigen. Diese betragen mittlerweile 22,3 Millionen Franken. Die Nettoschuld pro Einwohner liegt neu bei 906 statt vormals 764 Franken.

Da die Steuerfusssenkung um drei Prozentpunkte jährlich 1,8 Millionen Franken ausmache, würde die Verschuldung Wils innert fünf Jahren um neun Millionen Franken zusätzlich steigen – und sie steigt gemäss Finanzplan bis 2028 auch so schon von 22 auf 56 Millionen Franken. «Wir kämen um eine Verzichtsplanung nicht herum, doch mir fehlt der Glaube, dass diese vom Parlament gestützt würde», so Mäder.

Welche Leistungen gekürzt werden müssten, konnte Mäder noch nicht sagen. Er gehe aber davon aus, dass die Einsparungen eher mittel und schlecht Verdienende treffen würden, und zog den Vergleich zu Gossau.Dort steht unter anderem zur Diskussion, das Freibad nur noch Juni, Juli und August zu öffnen und während dieser Zeit das Hallenbad zu schliessen.

Andreas Hüssy glaubt nicht, dass Sparübung nötig wird

Die Drohung eines Leistungsabbaus ist für Andreas Hüssy Angstmacherei: «Schon bei der letzten Steuersenkung 2019 kamen dieselben Warnungen und nichts davon trat ein.» Die präsentierte Rechnung 2023 bestätige den positiven Trend. Da das Steuersubstrat stark gewachsen sei, sei es richtig, genau dort mit einer Steuerfusssenkung anzusetzen.

Dass ein guter Teil des Steuerwachstums auf einen Einzelfall zurückzuführen sei, ist für Hüssy «kein Killerargument», schliesslich stehe man auch sonst gut da. Er stellt etwa die Reservebildung der TBW infrage. Geld, das normalerweise der Stadt zugeflossen wäre. Was Hüssy mit Verweis auf die Umsetzungsquote auch nicht glaubt: dass Wil tatsächlich künftig jedes Jahr 30 Millionen Franken investieren kann. Er hält fest: «Es ist nicht fünf vor zwölf, wie es uns der Stadtpräsident weismachen will.»

Präsident SVP Stadt Wil Mitglied Stadtparlament Mitglied Geschäftsprüfungskommission
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Andreas Hüssy