SVP verlangt Regelwerk in der Gemeindeordnung: So soll die Stadt Wil ihre dunkelroten Finanzen in den Griff kriegen – Wiler Zeitung (Larissa Flammer)

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In der Gemeindeordnung der Stadt Wil soll eine Art Schuldenbremse festgeschrieben werden. Damit will die SVP den Stadtrat beauftragen – und hat für das Regelwerk auch schon Eckpunkte erarbeitet.

Die finanziellen Aussichten für die Stadt Wil sind alles andere als rosig. Das Budget für das laufende Rechnungsjahr weist ein Defizit von mehr als acht Millionen Franken auf. Rund sieben Stunden lang hat das Stadtparlament vergangenen Dezember darüber beraten und konnte das Defizit trotzdem nur um gut 400’000 Franken senken. 

Die SVP hatte bereits damals festgehalten, dass sie das strukturelle Defizit nicht hinnehmen werde. Nun wird die Partei aktiv. Sie reichte am Sonntag eine Motion mit dem Titel «Nachhaltiger Finanzhaushalt» ein, welche Parteipräsident Andreas Hüssy, Fraktionspräsident Benjamin Büsser und Stadtparlamentarier Erwin Böhi am Montag an einer Pressekonferenz vorstellten. 

SVP will Alternative zur Steuererhöhung

Gehe es weiter wie bisher, müsse man in den nächsten Jahren gar mit einem Defizit in zweistelliger Millionenhöhe rechnen, sagte Benjamin Büsser. Denn die Einnahmen und Ausgaben im Finanzplan der Stadt seien nicht ausgeglichen und wichtige Investitionsprojekte seien geplant, die abgeschrieben werden müssen. Weiter würden die Steuerreform sowie die kantonale Lastenverlagerung in den nächsten Jahren auf den städtischen Finanzhaushalt drücken. Zudem dürften die Technischen Betriebe durch die Entwicklungen am Gasmarkt der Stadt künftig keine so hohen Abgaben mehr liefern können.

Der Stadtrat sehe eine Lösung für dieses Problem: eine Steuererhöhung, sagte Büsser. Aber:

«Für uns ist es ein No-Go, gerade jetzt noch mehr auf die Bürger abzuwälzen.»

Die steigenden Gas-, Benzin- oder Lebensmittelkosten würden die Haushaltskassen schon genug belasten. 

Schuldenbremse klappt auf Gemeindeebene nicht

Zuerst überlegte die Partei, eine Schuldenbremse für die Stadt zu verlangen, wie es sie auf Bundes- und Kantonsebene gibt. Das ist im Grundsatz eine Ausgabenregel: Jährlich dürfen nur so viele ordentliche Ausgaben getätigt werden, wie ordentliche Einnahmen reinkommen. Doch für die Gemeindeebene ist eine Schuldenbremse weniger geeignet, wie Büsser erklärte: 

«Wegen der Abschreibungen würde das für die Stadt einer Investitionsbremse gleichkommen.»

Weil aber Projekte wie die Umgestaltung des Bahnhofs oder die Schulraumplanung auf die Stadt zukommen, komme eine Schuldenbremse für Wil nicht in Frage. 

Für die Lösung, welche der SVP vorschwebt, gibt es noch kein Modell. Keine andere Gemeinde im Kanton St.Gallen kennt ein Regelwerk für einen nachhaltigen Finanzhaushalt, wie Erwin Böhi sagte. Die Stadt Wil könnte zum Vorbild werden. 

Volksabstimmung wäre Pflicht

Die SVP-Fraktion will den Stadtrat beauftragen, einen Nachtrag zur Gemeindeordnung auszuarbeiten, der die Verpflichtung zu einer ausgeglichenen Erfolgsrechnung enthält sowie Bestimmungen zur Gewährleistung eines nachhaltigen Finanzhaushaltes. Zudem soll ein Finanzleitbild ausgearbeitet werden, das die finanzpolitischen Leitplanken enthält.

Das Regelwerk soll folgende Eckpunkte enthalten: Festlegung der erlaubten Dauer eines Defizits im Rahmen des Finanzplans, Regeln zum mittelfristigen Ausgleich der Erfolgsrechnung unter Berücksichtigung des Erhalts eines angemessenen Eigenkapitals, Kriterien zur Definition eines ausgeglichenen Budgets, Bestimmungen zu möglichen Ausnahmen bei ausserordentlichen Ereignissen (wie der Coronapandemie), zu treffende Massnahmen bei Nicht-Einhaltung des Haushaltsgleichgewichts.

Bei der Recherche für ihre Motion habe die SVP auch mit dem kantonalen Amt für Gemeinden zusammengearbeitet, wie Andreas Hüssy sagte: «Denn der Nachtrag in der Gemeindeordnung muss im Einklang mit dem kantonalen Gesetz stehen.» Weil eine Änderung der Gemeindeordnung nötig ist, wäre für die Einführung des Regelwerks auch eine kommunale Volksabstimmung Pflicht. 

Es ist ein langjähriges Projekt

Die Partei ist sich bewusst, dass mit der Motion der Finanzhaushalt nicht von heute auf morgen verbessert werden kann. «Es ist ein langfristiges Projekt», sagte Böhi. Man wolle den Stadtrat dazu bringen, nachhaltig etwas zu verändern und sich die Finanzplanung ganz neu zu überlegen.

Das Stadtparlament sei sich zu wenig bewusst, dass es die Legislative sei und die Regeln vorgeben müsse. «Wir sollten uns jetzt grundsätzlich überlegen, ob wir es richtig machen», ergänzte Büsser. Dabei sei auch denkbar, dass die Finanzkompetenzen neu geregelt werden.

Bevor es an die Detailausarbeitung geht, muss erst der Stadtrat Stellung zur Motion nehmen und das Stadtparlament über die Erheblicherklärung entscheiden. Andere Parteien seien bisher nicht an Bord, sagte Büsser.

Berater
Foto Erwin Böhi

Erwin Böhi

Präsident SVP Stadt Wil Mitglied Stadtparlament Mitglied Geschäftsprüfungskommission
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Andreas Hüssy

Fraktionspräsident
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Benjamin Büsser