„Es kann sein, dass die Schulqualität unter den vielen Bezugspersonen leidet“: Stadtparlamentarierin hinterfragt die Anzahl Bezugspersonen an Wiler Schulen – Wiler Zeitung

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Kinder in der Volksschule haben neben der Klassenlehrperson immer mehr Bezugspersonen. Unterrichten sei aber eine Beziehungssache, sagt Christina Rüdiger von der SVP. Auch die Stadt ist der Meinung, dass die Zahl der Bezugspersonen bei jüngeren Kinder klein gehalten werden soll.

Klassenassistenz, Musiklehrerin, heilpädagogische Fachperson, Logopädin, Zivildienstleistender: Die Anzahl Bezugspersonen für Schülerinnen und Schüler der Volksschule nimmt stetig zu. Der Unterricht hat sich in den letzten Jahren verändert, neue Fächer wie zum Beispiel Englisch sind hinzugekommen.

Dabei sei gerade die Beziehung zwischen Lehrerpersonen und Schülerinnen und Schüler essenziell, sagt Christina Rüdiger von der SVP. Sie ist im Wiler Stadtparlament und hat vor der Pensionierung als Lehrerin im Gymnasium unterrichtet. «Unterricht ist Beziehungssache», sagt sie. Und die Stabilität in dieser Beziehung sei wichtig, Kinder würden so besser lernen.

Die Politikerin fragte deshalb in einer Interpellation beim Stadtrat nach, wie viele Bezugspersonen es an den Wiler Volksschulen gebe. 

Alle wollen helfen

«Allen Bezugspersonen geht es darum, den Schülerinnen und Schüler zu helfen», sagt Rüdiger.

«Dennoch stellt sich die Frage, ob die Anzahl Bezugspersonen nicht kontraproduktiv ist.»

Klassenlehrpersonen würden mit Fachpersonen aus der Musik, dem Schwimmen, der Heilpädagogik zusammenarbeiten. Dann gebe es noch die Klassenassistenz, Zivildienstleistende, Seniorinnen, die die Klasse unterstützen. Zudem gibt es Therapien wie Legasthenie oder Logopädie. Es gibt Fachpersonen für Nachhilfe und Begabtenförderungen, nicht zuletzt die Schulsozialarbeit.

Für Schülerinnen und Schüler der Oberstufe sei es kein Problem, verschiedene Bezugspersonen zu haben, sagt Rüdiger. «Bei jüngeren Kindern ist das anders.» Bei so vielen Akteuren im Schulzimmer, wisse man gar nicht mehr, wer die Hauptansprechperson sei, so Rüdiger. «Schwächere Kinder haben vielleicht Mühe, weil sie keine feste, stabile Beziehung zur Lehrperson haben.» 

Auch für Lehrpersonen könne es herausfordernd sein. «Man muss klären, wer für was zuständig ist und am gleichen Strick ziehen.» Hinzu komme, dass viele Lehrpersonen Teilzeit arbeiten würden. Zudem sind nicht alle Bezugspersonen pädagogisch ausgebildet. Rüdiger sagt:

«Es kann sein, dass die Schulqualität unter den vielen Bezugspersonen leidet, es muss aber nicht.»

Bis zu fünf Bezugspersonen im Kindergarten

Wie die Stadt in der Antwort auf die Interpellation schreibt, sei die genaue Berechnung der durchschnittlichen Anzahl Bezugspersonen schwierig. Es hänge davon ab, ob ein Kind zum Beispiel den Religionsunterricht besuche oder einen Förderbedarf habe.

Im Kindergarten kommen drei bis fünf Bezugspersonen zum Einsatz. Dies sind nebst Klassenlehrperson, Team-Teaching-Lehrperson, Musikalische Grundschule, Deutsch als Zweitsprache, Schulische Heilpädagogik. In der Unterstufe sind es vier bis sechs Bezugspersonen. Dort kommen Bezugspersonen für Religion, Handarbeit und Werken hinzu. In der Mittelstufe zeigt sich ein gleiches Bild, mit vier bis fünf Bezugspersonen, jedoch ohne Musikalische Grundschule. In der Oberstufe sind es durchschnittlich sechs bis acht Bezugspersonen, bestehend aus Klassenlehrperson und Fachlehrpersonen.

Die Stadt zeigt zudem auf, dass das durchschnittliche Pensum der Lehrpersonen 65 Prozent betrage. 24 von 320 Lehrpersonen arbeiten mit einem Pensum von 20 Prozent oder weniger. 

Wie die Lehrpersonen die Situation mit den wachsenden Bezugspersonen beurteilen, ist unklar. Es hat laut Stadt keine systematische Befragung zu diesem Thema stattgefunden.

Pädagogische Frage ins Zentrum rücken

Weiter heisst es, dass der Stadtrat der Ansicht sei, dass die Zahl der Bezugspersonen bei jüngeren Kindern so klein wie möglich gehalten werden soll. Mit zunehmendem Alter könne die Zahl ansteigen. In der Volksschule gelte das Klassenlehrpersonen-System. Eine Klassenlehrerin oder ein Klassenlehrer sei für eine Klasse verantwortlich, diese Person bleibe die wichtigste Bezugsperson. 

Christina Rüdiger sei zufrieden mit der Antwort der Stadt. Es wäre aber interessant zu erfahren, wie die Lehrpersonen die Situation einschätzen. Ihr sei es wichtig gewesen, die pädagogische Frage wieder einmal ins Zentrum zu rücken. Gerade jetzt, wo die Schulstrukturen ausgebaut werden sollen. Das Parlament stimmt voraussichtlich am Donnerstag über die Schaffung zweier Stellen für die Schulraumplanung und ein allfälliges Pilotprojekt für Tagesschulen ab.

Mitglied Stadtparlament
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Christina Rüdiger