Gewaltbereitschaft und Bedrohungen: Wiler Stadtrat bestätigt «unerfreuliche Vorfälle» im Lindenhofquartier und an der Schule

Lindenhof: Wiler Stadtrat bestätigt Gewaltproblem in Schule und Quartier (tagblatt.ch)

Tagblatt: Michael Nittnaus

Im Sommer wich der Wiler Stadtrat noch aus. Jetzt spricht er davon, dass sich im Lindenhofquartier immer wieder Menschen vor allem abends unsicher und bedroht fühlten. Wegen einiger Vorfälle laufen polizeiliche Untersuchungen.

Beim in Wil heiss diskutierten Thema Sicherheit steht neben Bahnhof und Allee auch das Lindenhofquartier im Südosten der Stadt im Fokus – und dabei vor allem die dortigen Schulen. Sie sollen mit Aggressionen, Gewalt, Vandalismus, ja vielleicht gar Drogenhandel zu kämpfen haben. Diese Befürchtung äusserte Marco Albrecht, der für die SVP im Wiler Stadtparlament sitzt, Ende November in einem Vorstoss. Er wollte vom Stadtrat wissen, ob dieser davon Kenntnis habe.

Jetzt liegt die Antwort vor. Anders als noch vergangenen Sommer bei der Replik auf einen ähnlichen SP-Vorstoss zum Lindenhof, weicht das Gremium nicht aus, sondern schreibt: «Der Stadtrat hat Kenntnis von verschiedenen unerfreulichen Vorfällen im Lindenhofquartier und den sich dort befindenden Schulanlagen.»

Die Polizei untersucht derzeit mehrere Vorfälle

Es gehe um Littering und Vandalismus, aber auch um Konfrontationen. Schulleitungen, Lehrpersonen, Schulsozialarbeitende sowie Schülerinnen und Schüler aller Stufen und andere Nutzende der Anlagen «fühlen sich vorwiegend zur Abendzeit auf dem Lindenhof-Areal unsicher und unwohl». Dabei hätten sich Personen auch schon bedroht gefühlt.

Einige der Vorfälle seien mittlerweile Gegenstand polizeilicher Untersuchungen. Der Sprecher der St.Galler Kantonspolizei, Hanspeter Krüsi, schreibt auf Nachfrage: «Im letzten Frühling gab es Probleme mit einer Gruppe Jugendlicher. Diese konnten jedoch identifiziert und zur Rechenschaft gezogen werden.» Bei einzelnen Jugendlichen sei das Strafverfahren noch nicht abgeschlossen.

Krüsi betont, dass die Ermittlungen dazu beigetragen hätten, die Situation im Lindenhof zu entspannen. Er sagt aber auch, dass die Polizei neben Littering und Vandalismus schon über verbale Angriffe und punktuell auch körperliche Übergriffe informiert worden sei. Und: «Aufgrund der Wahrnehmungen von Betroffenen hat die Polizei die Patrouillen und Kontrollen in diesem Bereich verstärkt und die Prävention ausgebaut.»

Nicht die Schule sei das Problem, sondern das Quartier

Der Stadtrat betont, dass «die Vorfälle ihren Ursprung ausserhalb des Schulunterrichts haben». Es sei primär ein gesellschaftliches und nicht ein schulisches Problem. Das Areal der Schulanlage Lindenhof habe Dorfplatzcharakter und sei Treffpunkt für ganz verschiedene Bevölkerungsgruppen – darunter seien auch nicht immer genau zu identifizierende Personengruppen. Der Stadtrat weiss: «Die Schulen auf dem Areal sind nicht die Ursache der angespannten Situation, aber sie können sich diesen Einflüssen nicht entziehen und leiden teilweise darunter.»

Auf den regulären Schulbetrieb hätten diese Situationen nur wenig Einfluss. Wobei: Die Stadt habe Kenntnis von «einzelnen angespannten Situationen» innerhalb von Schulklassen im Lindenhof sowie in anderen Schuleinheiten. Der Stadtrat schreibt: «Es ist in der Tat so, dass an Wiler Schulen gewisse Schülerinnen und Schüler unakzeptables Verhalten zeigen und sich auch Eltern unkooperativ verhalten. Die Tendenz ist leider zunehmend.»

Von offener physischer Aggression oder sexueller Gewalt gegenüber Lehrpersonen sei dem Stadtrat aber nichts bekannt. Was auffällt: Auf die von Albrecht erwähnte Drogenproblematik geht der Stadtrat mit keinem Wort ein. Auf Nachfrage sagt Stadtsprecher Michel Burtscher: «Bezüglich Drogenproblematik oder Drogenhandel am Lindenhof ist der Stadt nichts bekannt.»

Marco Albrecht überlegt sich, bald nachzudoppeln

Dafür schreibt der Stadtrat, dass die Lehrpersonen um die Gewaltbereitschaft einiger Schüler wüssten, die sich häufig mit älteren Jugendlichen, teilweise auch ehemaligen Schülerinnen und Schülern, in der Freizeit auf dem Lindenhofareal aufhielten. «Diese schwelende Gewaltbereitschaft führt bei Lehrpersonen auch im Unterricht oder während der Pause zu unguten Gefühlen.»

Und was sagt Marco Albrecht zur Antwort? «Es ist gut, dass der Stadtrat die Probleme erkannt hat. Dass er dennoch kaum Handlungsbedarf sieht, verstehe ich jedoch nicht.» Albrecht hatte gefragt, weshalb die Stadt keine Statistik zu Gewalterfahrungen an den Schulen führe und forderte dazu eine repräsentative Umfrage unter den Lehrpersonen. Bei beidem glaubt der Stadtrat nicht, neue Erkenntnisse gewinnen zu können.

Aus der Sicht von Albrecht, der vor zwanzig Jahren selbst im Lindenhof zur Schule ging, scheue der Stadtrat zudem, das Problem genau zu benennen: «Es geht auch um Mobbing und Rassismus gegen Schweizer Schülerinnen und Schüler», so der SVP-Politiker. Er sieht die Antwort vor allem als Bestandesaufnahme. In einem nächsten Schritt müssten Lösungen gefunden werden. Albrecht: «Ich überlege mir, mit einem Vorstoss nachzudoppeln.»

Mitglied Stadtparlament
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Marco Albrecht