Notwendiges Sparen oder Steuern auf Vorrat – Wiler Politiker diskutieren über die geplante Steuerfussreduktion

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Tagblatt, Josef Bischof

Um drei Prozentpunkte soll der Steuerfuss der Stadt Wil gesenkt werden. Stadtrat, die Mitte und SP wollen keine Senkung, SVP und FDP befürworten den Senkungsantrag.

Am 14. April stimmt die Wiler Bevölkerung darüber ab, ob der Steuerfuss um drei Prozentpunkte gesenkt werden soll. Ob die vom Stadtrat beantragte Beibehaltung des Steuerfusses nötig sei, zur Bewältigung der anstehenden Vorhaben, oder ob dazu um drei Prozent geringere Steuereinnahmen auch ausreichten, ist am Mittwochabend im katholischen Pfarreizentrum öffentlich diskutiert worden.

Die Positionen waren von Anfang an klar. Stadtpräsident Hans Mäder und Reto Gehrig von der Mitte-Partei sowie Dora Luginbühl von der SP setzen sich für die Beibehaltung des Steuerfusses von 118 Prozent ein. Andreas Hüssy von der SVP und Olav Baumann von der FDP zeigten sich überzeugt, dass ihr Senkungsantrag um drei Prozent im Interesse der Wiler Steuerzahler sei.

Ausgangspunkt der Diskussion war ein Referat von Stadtpräsident Hans Mäder. «Wil liegt mit einem. Steuerfuss von 118 Prozent in der Mitte der 77 sanktgallischen Gemeinden», begann er seine Ausführungen, «Balgach mit 61 Prozent weist den tiefsten, die Stadt St. Gallen mit 138 Prozent den höchsten Steuerfuss auf.» Die 118 Prozent seien vom Stadtrat vorgeschlagen und nach der Budgetdebatte vom Parlament verabschiedet worden.

Die von einem Gegenkomitee nun verlangte Senkung um drei Prozent mache jährlich 1,8 Millionen Franken aus. In fünf Jahren fehlten so neun Millionen Franken, was einem grossen Projekt wie dem Beitrag der Stadt an die Sanierung des Hofs entspreche. Der Selbstfinanzierungsgrad, welcher 2018 noch 400 Prozent betragen habe, liege jetzt unter 100 Prozent und würde bei einer Senkung des Steuerfusses noch weiter sinken.

Abbau von Leistungen vermeiden

Mit der Beibehaltung des Steuerfusses auf 118 Prozent wolle die Stadt Wil die Verluste minimieren, so Hans Mäder. Es gelte, die Investitionen im Auge zu behalten. Der Investitionsbedarf in den nächsten zehn Jahren wird auf 300 Millionen Franken geschätzt. Da habe das Sprichwort «Spare in der Zeit, so hast du in der Not» durchaus Berechtigung. Der Stadtrat sei bemüht, neue Schulden zu vermeiden.

Die jährliche Zinslast belaufe sich auf zwei Millionen Franken. Im gegenwärtig unsicheren wirtschaftlichen Umfeld erachte er eine Steuersenkung als verfrüht, sagte Mäder. Angesichts der allgemeinen Kostensteigerungen müsse Augenmass bewahrt werden. Die öffentliche Hand dürfe nicht gleichzeitig ihre Leistungen abbauen.

Steuerfuss als Teil der Standortattraktivität

Die Podiumsdiskussion wurde von Meret Grob geleitet. Sie ist Mitglied der Grünen Prowil und momentan Vizepräsidentin des Wiler Parlaments. Andreas Hüssy und Olav Baumann setzten sich für eine Senkung des Steuerfusses ein. Hüssy argumentierte, dass damit die Standortattraktivität der Stadt Wil gefördert werde. Man könne zudem den Steuerzahlern, welche den Staat finanzierten, etwas zurückgeben.

Stadtrat, Verwaltung und Parlament müssten lernen, Wünschbares von Notwendigem zu unterscheiden. Hüssy bedauerte, dass die SVP bei ihrer konsequenten Ablehnung neuer Stellen erfolglos ist. Der Personalaufwand sei in den letzten Jahren überproportional gestiegen.

Olav Baumann möchte mit der Steuerfusssenkung den gegenwärtigen Teuerungsschub etwas abfedern. Für einen mittleren Haushalt wären jährlich 200 Franken weniger aufzuwenden, und das sei ein spürbarer Beitrag dazu. Seine Partei, die FDP, hatte im Parlament dem Steuerfuss zugestimmt, setzt sich jetzt aber für eine Senkung ein. Baumann begründete: «Es gibt zwar viele Projekte in der Pipeline, aber keines ist entscheidungsreif.»

Verlässlichkeit als gewichtiges Argument

Dora Luginbühl und Reto Gehrig blieben bei ihrer Haltung im Parlament und sprachen der Beibehaltung des Steuerfusses das Wort. Angesichts der immensen anstehenden Vorhaben wie Schulbauten, Gestaltung des Bahnhofplatzes oder Bau eines Fernwärmenetzes könne nicht von Steuern auf Vorrat gesprochen werden, meinte Dora Luginbühl. Weniger Steuereinnahmen könnten einen Abbau bei wichtigen Aufgaben der Stadt wie der Tagesstruktur oder dem Busfahrplan zur Folge haben.

Reto Gehrig versicherte, dass die Fraktion der Mitte gewillt sei zu sparen, damit zu gegebener Zeit die grossen Aufgaben finanziert werden könnten. Weniger Steuereinnahmen hätten zur Folge, dass Mittel für notwendige Aufgaben fehlten und die Stadt sich parallel dazu verschulden müsse. Wichtig für Private und Betriebe ist nach Auffassung von Gehrig nicht allein die Höhe des Steuerfusses, sondern die Kontinuität und die Verlässlichkeit.

In der allgemeinen Diskussion ist die Bedeutung des Arguments Verlässlichkeit erneut unterstrichen worden. Angemahnt wurde die Notwendigkeit zu sparen. Neue Argumente kamen nicht aufs Tapet.

Präsident SVP Stadt Wil Mitglied Stadtparlament Mitglied Geschäftsprüfungskommission
andreas-huessy

Andreas Hüssy