«Wiler Stadtrat budgetiert zu pessimistisch»: Warum eine Steuerfusssenkung in der Stadt Wil nicht zu tieferen Einnahmen führt

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Tagblatt, Josef Bischof

SVP, FDP, Gewerbe- und Hauseigentümerverein setzen sich für tiefere Steuern in der Stadt Wil ein. Damit stellen sie sich gegen ein überparteiliches Komitee aus Mitte, Grünen, GLP, EVP und SP, das gegen eine geplante Steuerfusssenkung um drei Prozentpunkte ist.

Am 14. April stimmt die Wiler Bevölkerung darüber ab, ob der Steuerfuss um drei Prozentpunkte – von 118 auf 115 Prozent – gesenkt werden soll. Ausgelöst wurde die Abstimmung durch ein Ratsreferendum der SVP im Dezember 2023. Letzte Woche hat ein überparteiliches Komitee aus Mitte, Grünen, GLP, EVP und SP gegen eine Senkung argumentiert.

Am Dienstag haben nun die Befürworter gekontert. Stefan Frick, Präsident des Gewerbevereins und Mitglied des Ja-Komitees: «Die Rechnungsabschlüsse Wils der letzten Jahre rechtfertigen eine Senkung des Steuerfusses, zumal keines der künftigen Grossprojekte ausführungsreif ist.» Das Ja-Komitee betont mit Nachdruck, dass ihm nicht nur Parteivertreter von SVP und FDP angehörten. Auch der Gewerbe- und der Hauseigentümerverein verfolgten die gleichen Ziele.

Im Budget für das laufende Jahr rechnet Wil mit einem Fehlbetrag von 3,6 Millionen Franken. Stadtpräsident Hans Mäder hatte deshalb und in Anbetracht grosser künftiger Investitionen eine Steuersenkung abgelehnt. Sie hätte einen Minderertrag von 1,8 Millionen Franken zur Folge und wäre «mit einem Hochseilakt ohne Netz und doppelten Boden vergleichbar», hatte Mäder im Parlament gewarnt.

Keine Steuern auf Vorrat

«Wir haben die grossen anstehenden Projekte der Stadt nicht ausgeblendet», sagt Cornelia Kunz, FDP-Parlamentarierin und Vorstandsmitglied des Hauseigentümervereins. Die FDP habe das Ratsreferendum trotzdem grossmehrheitlich unterstützt. Diese Projekte – der neue Bahnhofplatz, ein neuer Stadtpark und die Schulraumplanung – seien schon vor drei Jahren auf der Traktandenliste gestanden und stünden noch immer dort.

Dieser Umstand ist für das Ja-Komitee ein zentraler Grund für seine Forderung nach einer Reduktion des Steuerfusses um drei Prozentpunkte. Es sei nicht Aufgabe der Stadt, Steuern auf Vorrat einzuziehen», so Cornelia Kunz. Viel Geld in der Kasse wecke zudem neue Begehrlichkeiten.

Ausgabenlust in Grenzen halten

Die Steuersenkung bezeichnet Kunz zudem als effizientes Mittel, um die Wirtschaft anzukurbeln. Weiter führe ein tieferer Steuerfuss in der Regel zu höheren Steuereinnahmen. Wil müsse ein attraktiver Standort bleiben. Die Stadt stehe auch in Konkurrenz zu Nachbargemeinden, die einen niedrigeren Steuerfuss aufwiesen. Schliesslich gelte es auch, die Ausgabenlust der Stadtregierung im Zaum zu halten.

Ins gleiche Horn stösst auch Benjamin Büsser, Fraktionschef der SVP: «SVP und FDP sind mit der Budgetierung nicht zufrieden. Der Stadtrat ist relativ grosszügig mit sich selber. Wir verlangen eine realitätsbezogene Vorausschau.» Von den Gegnern der Steuersenkung werde eine Drohkulisse aufgebaut und Angst gemacht, die Grossprojekte seien nicht finanzierbar.

Der Sportpark Bergholz als Beispiel habe indessen gezeigt, dass Parlament und Bevölkerung im konkreten Fall zu Lösungen bereit seien. Einer Erhöhung des Steuerfusses um fünf Prozentpunkte sei damals zugestimmt worden.

Überschüsse trotz tieferer Steuern

Die letzten drei Steuersenkungen hätten keine Verringerung des Ausgabenwachstums gebracht, konstatierte Gewerbepräsident Frick. Die anfallenden Aufgaben seien grosszügig finanziert worden und die Rechnungen hätten trotzdem Überschüsse gezeitigt.

Olav Baumann, Präsident der FDP Wil, erwartet, dass die rege Bautätigkeit in Wil zu einem Bevölkerungswachstum führen werde. Die teuren Wohnungen könnten sich nur relativ gut betuchte Personen leisten, was zu höheren Steuereinnahmen führen werde.

Büsser kritisiert das Argument der Gegner, den Steuerfuss auf der gegenwärtigen Höhe zu belassen, mache für einen mittleren Steuerzahler «nur» 200 Franken aus. 200 Franken seien kein Pappenstiel.

Das Ja-Komitee wird Plakate aufstellen und einen Flyer in alle Haushalte verteilen. Am Mittwoch, 20. März, 19.30 Uhr, findet im Katholischen Pfarreizentrum Wil ein kontradiktorisches Podium zur Abstimmung über die Steuerfusssenkung statt.

Fraktionspräsident
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Benjamin Büsser