Wil: Einst ein repräsentatives Schmuckstück, heute ein sozialer Brennpunkt

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Adrian Zeller, dieostschweiz.ch

Die Allee in Bahnhofsnähe in Wil ist ein Treffpunkt sozialer Randgruppen; viele Passanten meiden sie. Um Abhilfe gegen Tätlichkeiten, Pöbeleien und Drogenkonsum zu schaffen, hat sich eine ungewöhnliche politische Allianz gebildet.

Vor Jahresfrist eskalierte die Situation. Wie Florian Schneider, Sprecher der St. Galler Kantonspolizei, damals äusserte, waren mehrere Patrouillen der Kantonspolizei St.Gallen sowie je eine Patrouille der Stadtpolizei St. Gallen sowie gar der Thurgauer Kantonspolizei erforderlich, um Herr der Lage zu werden.

Tätlichkeiten geben Polizisten

In Phase 1 der Eskalation raubten zwei junge Männer in der Allee einen Mann aus. Sie schlugen ihm dabei mit einem Stein gegen den Kopf. Die Besatzung eines Patrouillenfahrzeuges der Kantonspolizei konnte wenig später zwei Männer anhalten, auf die die Personenbeschreibung passte. Dann lief die Situation dermassen aus dem Ruder, dass sie nur mit einem erheblichen polizeilichen Personaleinsatz in den Griff zu bekommen war. Die beiden Männer bedrohten die Polizisten und wurden gegen sie tätlich.

Übergriffe am Bahnhof

Am gleichen Wochenende schlug ein Mann auf dem Bahnhofplatz einem anderen eine Bierflasche auf den Kopf und bedrohte ihn mit einem Messer. Später bewarfen mit der Bahn ankommende Fussballfans Polizisten mit Gegenständen.

Auch früher kam es immer wieder zu tätlichen Auseinandersetzungen in der Gegend um den Bahnhof. Die seit längerer Zeit unsicherer Situation wurde bereits im «Blick» sowie weiteren überregionalen Medien thematisiert.

Konsumenten von Suchtmitteln

Die von alten Kastanienbäumen gesäumte Flanierstrasse Allee ist Treffpunkt von Personen die viel Alkohol und/oder Drogen konsumieren. Gelegentlich kommt es auch zu Kleinkriminalität und zu erheblichem Littering.

Die Grünzone befindet sich in Bahnhofsnähe und ist damit Teil eines innerstädtischen Bereichs, der seit Jahren bei vielen Wilerinnen und Wilern insbesondere nach Einbruch der Dunkelheit nur mit einem mulmigen Gefühl begangen wird.

In der Nähe befindet sich ein an die St. Peter Kirche angrenzender Park sowie die zum Alleeschulhaus gehörende Spielwiese. Beide Flächen sind in der Nacht wenig beleuchtet und gelten als Orte für Drogenhandel und –konsum.

Trotz regelmässigen Fuss-Patrouillen eines Sicherheitsunternehmens sowie Überwachsungskameras halten die Klagen von Passanten, die sich Gegend rund um den Bahnhof sehr unsicher fühlen, an. Frauen berichten zudem von anzüglichen Bemerkungen, mit denen sie konfrontiert würden sowie von Fragen nach Drogen.

SVP und Grüne spannen zusammen

Politische Akteure warfen dem Wiler Stadtrat in dieser Sache mangelndes Engagement vor. Um politischen Druck zu erzeugen, lancierte die SVP im vergangenen Sommer eine Volksinitiative mit dem Titel «Mehr Sicherheit in der Stadt Wil». Im Stadtparlament reichten die SVP sowie die Grüne Prowil Vorstösse zum Thema ein.

Gemäss Parlamentsbeschluss soll der Stadtrat bis spätestens Ende 2024 einen Bericht und Antrag zur Schaffung eines ständigen Patrouillendiensts mit dem Auftrag «Sicherheit-Intervention-Prävention» vorlegen, um damit die objektive und die subjektive Sicherheit auf dem Stadtgebiet zu erhöhen. Nicht nur die Bahnhofsgegend gilt als unsicher.

Städtebauliche Aufwertung

Die Wiler Allee entstand als Folge des im 19. Jahrhundert einsetzenden öVs. Mit dem Anschluss Wil ans Eisenbahnnetz im Jahr 1855 wurde das Gelände rund um den Bahnhof zu baulichem Entwicklungsgebiet. In der Versammlung vom 16. Oktober 1860 beschlossen die Ortsbürger als Landeigentümer, die in diesem Gebiet bestehende Kiesgrube aufzufüllen und eine Allee mit Kastanien und Platanen anzulegen. Zur weiteren Aufwertung der Allee sprudelt ab 1895 ein Springbrunnen.

Denkmal für Grippeopfer

Um 1904 entstand die Idee, in der Allee eine Wettersäule einzurichten, die für die Schuljugend und die Erwachsenen lehrreich sei, wie es in der Begründung hiess. Federführend war der Verkehrs- und Verschönerungsverein, heute Verein Wil Tourismus. Um 1920 wurde die Allee mit einem Denkmal für die während der Spanischen Grippe verstorbenen Wehrmänner ergänzt.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erlebte die Umgebung der Allee ihre grösste Veränderung. Nach 1850 wuchs die Wiler Bevölkerung erheblich, über 5000 Personen lebten um 1900 in der Stadt. In der Folge brauchte es zusätzlichen Schulraum. Am 18. September 1905 konnte das Alleeschulhaus mit einem Kinderfest eingeweiht werden.